Der letzte Teil meines Interviews mit Ingwer aus dem ‚Johanniskind‘ – Ich glaube, wir waren beide froh, als die letzte Frage beantwortet war.

 

Was war das Schrecklichste, das du je jemandem angetan hast, den du liebtest?

Das geht dich nichts an.

*Warum nicht?*

Weil es eine Sache zwischen ihnen und mir ist, darum!

*Weißt du, das verstehe ich schon, aber denk mal nach: Wenn sie Teil zwei vom ‚Johanniskind‘ lesen, werden es die Leser doch sowieso erfahren …*

Man kann es nachlesen? Jeder kann sehen, was für ein mieses Schwein ich geworden bin?

*Ja – Ingwer, bleib hier! Bitte! Schau mal, vielleicht helfen diese Fragen den Lesern dabei, dich anders zu sehen.*

Das ist mir egal – sollen sie mich doch sehen, wie sie wollen!

*Ach Ingwer, es ist ganz schön schwer mit dir. Ich weiß ja, dass du dich im Moment nicht leiden kannst …*

Nicht leiden?! Das ist reichlich untertrieben! Bei allen Drachen, Hass trifft es mehr! Ich habe Dinge getan … wie soll ich jemals wieder meiner Familie, meinen Freunden unter die Augen treten können?

*Du liebst sie sehr, oder?*

Ja, ohne sie bin ich nichts. Wie konnte ich sie nur verlassen? Ohne Nachricht? Warum habe ich ihre Hilfe zurückgewiesen? Wäre ich bei ihnen geblieben – nichts von dem wäre passiert …

*Sie wissen nicht, wo du bist? Ingwer, wenn du den Kopf schüttelst, sehen die Leser das nicht. Warum hast du ihnen keine Nachricht hinterlassen? Glaubst du nicht, dass sie sich sorgen, nach dir suchen? Das ist schlimm, sehr schlimm – wenn ich keine Ahnung hätte, wo mein Kind ist, ich würde wahnsinnig werden vor Angst.*

Ich weiß … wahrscheinlich geht es ihnen genauso *seufz* Ich sagte doch, ich bin ein Schwein. Es ist besser, wenn sie mich vergessen – ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte, in ihren Augen die Abscheu zu erkennen, wenn sie sehen, was aus mir geworden ist.

Wofür schämst du dich am meisten, wenn du an die Vergangenheit denkst?

Darüber möchte ich nicht sprechen …

*Das hatten wir doch schon … Sobald es etwas mehr in die Tiefe geht, schaltest du auf stur … Warum?*

Weil es euch nichts angeht …

*Ach komm … wenn die Leser es doch irgendwann sowieso erfahren …*

Glaubst du? Ich werde einen Weg finden, das zu verhindern. Und versuche nicht wieder, das gleiche Spiel abzuziehen wie gestern – diesmal bleibt es beim Nein – ich lasse mich nicht mehr von dir übertölpeln. Ich schäme mich für das, was in der Vergangenheit geschehen ist, das muss dir reichen! Alles andere – das werde ich niemals preisgeben!

*Seufz, na gut*

Auf was bist du stolz, wenn du an die Vergangenheit denkst?

Es gibt nur eine Sache, auf die ich wirklich stolz bin: dass ich helfen konnte, die Welten vor dem Untergang zu bewahren …

*Das ging doch jetzt auch, warum also die vorherige Frage nicht auch noch beantworten?*

Sag mal … soll ich verschwinden? Ich MUSS bei diesem verfluchten Spiel nicht mitmachen – du sagtest, es ist freiwillig. Aber wenn du mich zu Antworten zwingen willst, dann kann ich gern die Nebel rufen und dich allein lassen …

*Oh Mann … ich hör schon auf.*

Wann hast du das letzte Mal geweint und warum?

Ich weiß nicht, wie lange es her ist … es fällt mir immer noch schwer, zu glauben, dass sie nicht mehr ist – Agnes, die einzige Verbindung, die ich zu meinem früheren Leben in der Menschenwelt hatte. Als sie starb, wurde mir erst bewusst, wie allein ich bin … und dass ich weder in die Menschenwelt noch in die Zwischenwelt gehöre …

*Zerfließt du grad in Selbstmitleid? Immerhin war es deine Entscheidung, die Zwischenwelt zu verlassen.*

Ich mache WAS?! Was hat das mit Selbstmitleid zu tun? Ich möchte dich mal sehen, wenn du all das durchmachen müsstest, was ich erfahren hab …

*Schon gut, schon gut. Ich bin froh, dass ich das nicht muss.*

Eben! Also gestatte mir einen Moment der Schwäche und Trauer und stell mich nicht hin wie ein jammerndes Weib. Und ja – es war meine Entscheidung! Na und? Darf ich sie deswegen nicht vermissen?

Welche schlechte Angewohnheit möchtest du gerne loswerden?

Mich – ich bin eine einzige schlechte Angewohnheit.

*Das klingt jetzt aber sehr … hm … hart.*

Ja und? Ich habe so viele Dinge getan, dass ich mir nicht mehr in die Augen sehen kann. Was sollte mich wünschen lassen, mich – so wie ich geworden bin – zu behalten?

*Aber wenn du wieder der Ingwer von früher werden könntest …*

Kann ich das? Du hast selbst gesagt, man kann die Zeit nicht zurückdrehen, so ist das Leben. Das, was ich getan habe, wird auf immer ein Teil von mir sein – und damit muss ich leben. Oder auch nicht …

Wenn du eine Sache ändern könntest, was wäre das?

Den Tod so vieler unschuldiger Menschen …

*Sonst nichts?*

Was denn noch?

*Ich dachte nur … wo du gestern so … so mies drauf warst.*

Du meinst, das ändern, was mir widerfahren ist? Nein, das würde bedeuten, Nekke den Sieg zu überlassen – und das wäre noch schlimmer …

Wofür kämpfst du/setzt du dich ein? Welche Ziele hast du?

Ich kämpfte einst gegen den Untergang der Welten, gegen die Unterdrückung, gegen das Böse … jetzt gibt es nur noch eine Sache: Ich möchte das Böse in mir für immer zerstören …

*Glaubst du, dass du das schaffst?*

Ich weiß es nicht. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.

*Welchen?*

Ich muss mich auf das, was vor mir liegt, einlassen.

*Du glaubst also, es gibt eine Zukunft für dich – ohne das Böse in dir?*

Ob mit mir oder ohne mich – es muss eine Zukunft geben, sonst wäre unser Kampf von Anfang an sinnlos gewesen. Und ich glaube nicht, dass die Macht, die IST, das zulassen würde – dazu ist sie zu weitsichtig und allwissend. Im Gegensatz zu uns Menschen und Bewohnern der Zwischenwelt.

*Hey, du hast es überstanden … So schlimm war es doch gar nicht, oder? Danke dir für deine Antworten.*

Ich hab’s geschafft? Den Drachen sei dank, es wurde auch Zeit. Also kann ich mich jetzt wieder wichtigeren Dingen zuwenden?

*Ich bitte darum. Wir wollen ja wissen, wie deine Geschichte endet.*

 

Das war mein Interview mit Ingwer aus dem ‚Johanniskind‘. Vielleicht, wenn ich mich ein wenig von diesem Schlagabtausch erholt habe 😉 versuche ich, einen anderen Protagonisten zu befragen. Mal sehen, drückt mir die Daumen 🙂

Interview mit Ingwer Teil 3
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