Weiter geht’s mit meinen Fragen an Ingwer, dem ‚Johanniskind‘. Die nächsten Fragen sind ein wenig … persönlicher, will ich mal sagen. Er reagierte manches Mal etwas … na ja, lest selbst 🙂
Hast du ein Geheimnis, von dem niemand weiß?
Oh ja … zumindest noch nicht. Und ich werde es gewiss nicht hier ausplaudern. Wenn die Zeit kommt, werden es diejenigen erfahren, die es betrifft.
*Kannst du nicht wenigstens ein klitzekleines Stück davon verraten?*
Nein! Was denkst du von mir?
*Ach bitte, wenn es doch sowieso rauskommt …*
Ich sagte Nein! Und dabei bleibt es.
*Du bist ein ganz schöner Sturkopf.*
Na und? Dann ist das eben so – ich bin kein tratschendes Waschweib. Schon gar nicht, wenn es um etwas geht, auf das ich nicht stolz bin …
In welche Gesellschaftsschicht bist du hineingeboren worden?
Mein Vater war Fischer, und als Schmied gehöre ich wohl ebenfalls in die Schicht der Handwerker. Außerdem wuchs ich bei Lariana, der Herrin der Lichtwelt auf. Gereon, der Herrscher der Dunkelwelt ist so etwas wie mein Ziehvater … und dann ist da noch der Drache – Fidibus. Du siehst, es ist ziemlich schwierig, sich da auf eine Gesellschaftsschicht festzulegen.
Wie groß ist deine Familie?
Die Familie, in die ich hineingeboren wurde, bestand nur aus meiner Mutter, da mein Vater schon vor meiner Geburt umkam. Zu meiner Familie in der Zwischenwelt gehören Lariana, die meine Mutter wurde, Eria, ihre Kammerfrau und Amme, die ihr bei meiner Erziehung half. Gereon, der für mich wie ein Vater war und mir den Schwertkampf beibrachte. Fidibus, von dem ich den Weltenwechsel lernte.
Was bedeutet dir Familie?
Zusammenhalt, Verlässlichkeit, Liebe, Verständnis, Geborgenheit, Vertrauen … alles Dinge, die ich von vielen erfahren habe, die ich vielen zurückgeben möchte … auch wenn es momentan nicht so aussieht. Und dadurch, dass ich eine ’normale‘ Familie, sprich Vater, Mutter, Kinder nie wirklich kennengelernt habe, sind meine Freunde für mich meine Familie.
Wer war deine Bezugsperson als Kind?
In allem Lariana. Sie steht und stand immer an erster Stelle, sie hat mein Leben gerettet. Sie würde alles für mich tun, und ich würde alles für sie tun. Himmel … wie ich sie vermisse
Welche ist deine glücklichste Kindheitserinnerung?
Ich glaube, das war, als ich das erste Mal Meister Pwyll in der Schmiede zusehen durfte. Ich weiß nicht, warum, aber das Schmiedehandwerk hat mich von klein auf fasziniert – das Flackern des Feuers, der Geruch des erhitzten Metalls, das Schlagen des Eisens … zu sehen, wie aus einem groben Klotz Metall ein Kunstwerk entsteht. Wenn ich in der Schmiede zugucken durfte, war ich wunschlos glücklich.
Hast du eine/n beste/n Freund/in? Beschreibe sie/ihn.
Mein bester Freund? Ich glaube, das ist Fidibus. Fidibus ist ein Blaudrache, groß und kräftig, mit langem Hals und Schwanz, einem stachelbesetzten Kopf, großen Flügeln, vier kräftigen Klauen, goldenen Augen … aber er kann sich auch in einen Menschen verwandeln. Da er schon ein alter Drache ist, nimmt er meistens die Gestalt eines weißhaarigen Alten an, trägt einen blauschillernden Umhang. Nur seine goldenen Augen erinnern dann noch daran, dass er eigentlich ein Drache ist. Und er ist gar nicht so, wie man sich einen Drachen vorstellt.
Die Menschen haben Angst vor den Drachen, erzählen sich wilde Schauermärchen über geraubte Jungfrauen und Schätze … dabei möchte Fidibus nur eine Vorleserin, die ihm die Langeweile vertreibt … und ich glaube, Lariana hat ihn bisher immer überreden können, die Mädchen wieder nach Hause zu schicken. Solange ich ihn kenne, hat er nie eine Vorleserin gehabt.
Eigentlich ist er nett und freundlich, kann aber auch ganz schön grantig werden, wenn man seine Freunde und Familie bedroht – und stur, wenn es notwendig ist.
Wie sieht dein übriger Freundeskreis aus?
Sehr vielfältig, bunt gemischt. In der Menschenwelt bin ich mit Agnes befreundet, der Tochter eines Rungholter Webers. Vielleicht kann ich auch Pfarrer Alard zu meinen Freunden zählen, vielleicht aber auch nicht. Sigurd, der Schmied aus Hollingstedt – er war mal ein guter Freund. Und ich darf Bruder Vigo aus Flensburg nicht vergessen – ich weiß nicht, wo ich ohne ihn wäre.
Da meine Freunde auch meine Familie sind, kann ich in der Zwischenwelt Lariana, Gereon, Eria und Pwyll ebenfalls zu meinen Freunden zählen. Dann wären da noch Gaax, ein Zworm und ganz lieber kleiner Kerl, dem ich so gerne etwas mehr Selbstbewusstsein wünschen würde. Und Flignis, ein Feuerelf und Gaax‘ bester Freund.
Was ist dir bei deinen Freunden wichtig?
Ich weiß, dass ich mich immer auf sie verlassen kann. Sie zweifeln nie an mir – nicht so wie ich. Ich bin zurzeit so von Selbstzweifeln zerfressen … und ihrer Freundschaft nicht wert
*Du jammerst.*
Nein, tu ich nicht.
*Doch, jetzt reiß dich mal zusammen.*
Das sind Tatsachen. Ich bin ihrer Freundschaft nicht würdig. Glaub es oder lass es – mir egal.
*Das glaub ich dir nicht.*
Was? Dass ich ihre Freundschaft nicht verdiene oder dass es mir egal ist?
*Dass es dir egal ist.*
Nein.
*Flüster nicht so, sonst versteht dich kein Mensch.*
Nein, du hast recht. Es ist mir nicht egal. Ich wünschte, es wäre so. Das würde weniger schmerzen.
Was magst du bei anderen überhaupt nicht?
Lügen, betrügen, Gewalt, wenn sie andere unterdrücken … ein Grund mehr, mich nicht zu mögen …
*Warum?*
Weil ich in letzter Zeit genau das getan hab.
*Du bist ja …*
Ja, ich weiß …
Magst du Haustiere? Wenn ja: welche? Wenn nein: warum nicht?
Haustiere? Was sind Haustiere? Die Pferde im Stall? Die Schafe? Die Katzen, die Ratten und Mäuse fangen? Die Hunde, die überall rumlaufen? Sie sind halt da … ihr stellt merkwürdige Fragen. Ist es in eurer Zeit so, dass man Haustiere hat? Was macht man mit ihnen?
*Streicheln, liebhaben?*
Ah ja …
Hattest du eine glückliche Kindheit?
Oh ja. Ich glaube, meine Kindheit war die beste Zeit in meinem Leben, auch wenn ich anfangs nicht wirklich eine Familie hatte. Ich bin in der Menschenwelt mit den anderen Kindern an den Strand gegangen, wir haben Muscheln und Krebse gesucht. Aber das ist so ziemlich das einzige, an das ich mich aus der Zeit in der Menschenwelt erinnere. Und in der Zwischenwelt war es einfach toll. Ich durfte überall hin, alle waren freundlich zu mir, ich hatte niemals Hunger … ich weiß nicht, was man sich sonst noch wünschen könnte.
Was war das Gemeinste, das du je zu jemandem gesagt hast?
Scher dich weg und komm nie wieder – zu Sigurd, dem Schmied aus Hollingstedt. Er war ein guter Freund, der mir sehr viel geholfen hat – und ich habe nichts Besseres zu tun, als ihn anzuschreien. Es hat nicht viel gefehlt, dass ich ihn verprügelt hätte … ich schäme mich noch immer, dass ich mich so vergessen konnte.
*Das war wirklich nicht nett.*
Ich weiß. Ich habe in letzter Zeit viele Menschen enttäuscht und vor den Kopf gestoßen.
Wie war dein erster Kuss?
Findest du das nicht sehr indiskret?
*Ach, naja, ich meine, was ist so schlimm an dieser Frage?*
Alles? Was geht es euch an, wie mein erster Kuss war?
*Wir sind eben neugierig.*
Wie war denn deiner?
*Meiner? Der steht doch gar nicht zur Debatte!*
Siehst du, du magst auch nicht drüber reden.
*Gar nicht wahr! Meiner war – ekelig, schlabberig, nass. Nicht so toll. So, jetzt kannst du dich nicht mehr rausreden, also: Wie war es bei dir?*
Das war … geschickt.
*Der Kuss?*
Quatsch! Aber jetzt muss ich ja antworten.
*Na dann …*
Also gut *seufz*. Mein erster Kuss war überraschend – ich war vollkommen überfordert, als Gudrun, die Wirtin aus Hollingstedt, fast über mich herfiel. Es war mir etwas unangenehm, im ersten Moment, ich wusste nicht, was sie von mir wollte. Aber sie hat es mir gezeigt. Später war es dann in Ordnung, aber das erste Mal – bei allen Drachen, diese ganzen verwirrenden Gefühle … ich glaub, ich bin feuerrot geworden und hab mich ziemlich dämlich angestellt.